Ein Chord für alle Fälle

Intro:

Ich weiß ja nicht wie es bei dir ist, aber ich ärgere mich immer, wenn mir, während ich einen Kollegen begleite, keine neuen Griffe einfallen wollen. Ich ertappe mich dabei immer das gleiche Voicing – das ist in unserem Fall ein Synonym für ‚Griff‘ – für das jeweilige Akkordsymbol zu nutzen. Wenn es dir ähnlich ergeht, ist es an der Zeit darüber nachzudenken, wie man – natürlich möglichst schnell und einfach – sein Akkordvokabular erweitert. Es wäre doch super, wenn wir einige wenige gut klingende Voicings lernen würden, die in möglichst vielen Situationen einsetzbar sind. Der Gitarren-Papst Mick Goodrick schrieb in seinem Meisterwerk ‚The Advancing Guitarist‘ sinngemäß: Es geht nicht (nur) darum wie viele Griffe du kennst. Es geht mehr um die Frage, wie viele Anwendungsmöglichkeiten du für ein Voicing kennst! Recht hat er!

Praxis:

Lass uns noch einmal über den Begriff ‚Voicing‘ nachdenken: Ich glaube, – der Begriff deutet es an – dass das Voicing aus der Idee heraus geboren wurde, mehrere Melodien oder auch Stimmen (engl. ‚Voices‘) gleichzeitig zu spielen. Ein Voicing wäre dann vielleicht so etwas wie ein eingefrorener „Melodiemoment“, eine Struktur, die zwar die jeweilige Harmonie repräsentiert, aber nicht zwangsläufig so ‚konkret‘ ist wie einer der Vierklänge die du vielleicht schon kennst, und mit denen man in Büchern und ähnlichem immer wieder zu tun hat. Wobei gerade dadurch der offene und moderne, manchmal auch etwas dissonantere Klang entsteht. Von diesen Voicings gibt es natürlich sehr viele, schließlich ist jede Kombination von Tönen denkbar. Um der Idee dieses Workshops und dem gegebenen Raum gerecht zu werden, lass uns mit einem Voicing anfangen – siehe Beispiel 1 – , und sehen wo wir es in der Praxis nutzen können!

Beispiel 1:

Beispiel 2:

Beispiel 3:

Der Akkord kann auch als Gma7(#11) genutzt werden, wie in Beispiel 4, oder als Emin6/9, so wie in Beispiel 5.

Beispiel 4:

Beispiel 5:

Der Griff findet auch Verwendung als C#moll7,11(b5)-Akkord, wie in Beispiel 6 zu sehen ist.

Beispiel 6:

Ich habe für die Beispiele möglichst gängige Akkordfolgen verwendet, meistens eine einfache II-V-I-Verbindung oder Teile aus einer Blues-Progression, damit du den neuen Akkord direkt nutzen kannst. Das ist aber nur der Anfang! Du könntest probieren, möglichst große Teile der Begleitung deines Lieblingsstücks mit dem Voicing zu spielen. Oder du könntest selber ein Stück mit unserem Griff komponieren…

Coda:

Wenn du dich lang genug mit dieser Struktur beschäftigt hast, kannst du den Akkord natürlich umkehren! Dadurch erhältst du mehr Flexibilität auf dem Griffbrett und dein Akkordrepertoire erweitert sich noch einmal, denn die einzelnen Umkehrungen klingen durch die andere Struktur der jeweiligen Umkehrung auch wieder anders – so entstehen neue Voicings, die aus den gleichen Tönen bestehen, und damit auch in den gleichen Situationen verwendet werden können!
Ich hoffe, das Voicing bringt frischen Wind in deine Akkordwelt. Sollten sich Fragen, Kommentare oder Themenwünsche ergeben, bin ich unter meiner Email-Adresse erreichbar: kontakt@frankschultzjazz.de, oder einfach über meine Homepage!
Viel Spaß!