Aufwärmen:
Im Sport ist es üblich und unbestreitbar sinnvoll sich aufzuwärmen. Die Muskeln werden auf die bevorstehenden Aufgaben vorbereitet und mit dem richtigen Training wird dafür gesorgt, dass die optimalen Leistungen aufgerufen werden können, wenn es darauf ankommt. Nun ist aber Gitarre spielen kein Sport, auch wenn es hier und da Parallelen gibt. Wie sollte also ein Aufwärmprogramm für uns Gitarristen aussehen?
Die Finger und die Hand:
Die meiste muskuläre Arbeit beim Spielen unseres Instrumentes, haben wohl die Hände, bzw. die Finger zu leisten. Um die Handgelenke auf das Spielen vorzubereiten, beginne ich gerne mit einfachen Bewegungen. Es ist meines Erachtens nicht sinnvoll den Händen extra Stress zuzumuten, indem ich extreme Bewegungen mache. Meistens beginne ich mit einfachen Drehbewegungen der Hände in beide Richtungen. Im Anschluss ‚male‘ ich liegende Achten in die Luft, indem ich die Hände hin und her drehe; erst Handfläche unten, dann Handfläche oben(siehe Beispiel 1)
Beispiel 1:
Die Bewegung wird durch die Unterarme unterstützt. Beide Übungen sollte mit möglichst großer Entspannung durchgeführt werden!
Dann schüttele ich die Hände gut aus und massiere sie. Hierbei arbeite ich mich von der Handfläche zu den Finger hinauf. Danach lasse ich meine Finger durch die Luft ‚tanzen‘. Es sieht ein bisschen aus, als würden die Finger eine ‚Laola-Welle‘ machen. Auch diese Übung muss entspannt durchgeführt werden.
Jetzt ist es an der Zeit das Instrument in die Hand zu nehmen, um langsam ein paar Töne zu spielen. Das kann prinzipiell alles sein, aber ich empfehle den letzten Aufwärmschritt mit einer Technikübung zu kombinieren.
Im Rahmen des Aufwärmprogrammes können die Finger auch etwas gedehnt werde, wobei ich hier zur Vorsicht rate! Die Finger und Handgelenke zu stressen und so zu dehnen, dass größere Umfänge gegriffen werden können ist nicht unbedingt sinnvoll! Ein berühmtes Beispiel für definitiv zu viel Stress und Dehnung ist Robert Schumann, der angeblich seine Piano Karriere beenden musste, weil er mit Hilfe einer Maschine die Dehnung seiner Hände verbessern wollte. Also bitte auf gar keinen Fall übertreiben! Meistens ist man mit Übungen, die mehr Geschmeidigkeit zum Ziel haben weit besser bedient!
Was durchaus – vor allem bei längeren Übesessions – sinnvoll sein kann, ist den Rücken und die Beine in sein Aufwärmprogramm mit aufzunehmen. Der Rücken wird häufig in einer ‚Fehlposition‘ gehalten und dadurch einseitig belastet. Ein Vorbereitung durch leichtes Aufwärmen vorher, und immer wieder Gegenbewegungen zwischendurch können entlastend wirken!
Leichtes beugen und strecken des Oberkörpers und Dehnbewegungen zu den Seiten, gegebenenfalls das drehen der Schultergelenke, sollten schon genügen.
Technische Übungen am Instrument
Technische Übungen haben für uns unterschiedliche Ziele. In diesem Text soll es hauptsächlich darum gehen, die Finger geschmeidig zu machen und so für bessere Beweglichkeit zu sorgen. Darüber hinaus soll trainiert werden die Finger unabhängig von einander bewegen zu können. Als Nebenprodukt wirst das Spiel flüssiger und schneller.
Experiment:
Probiere einmal folgendes Experiment aus: klopfe mit dem Zeige- und Mittelfinger der linken Hand so schnell du kannst auf die Tischplatte. Mache dabei so kleine Bewegungen, wie es geht. Wahrscheinlich werden deine Finger sich relativ schnell verkrampfen und du wirst, wenn überhaupt, ein unregelmäßiges und gar nicht so schnelles Trommelmuster hinbekommen. Jetzt lass die beiden Finger mit relativ großen Bewegungen auf die Tischplatte trommeln. Das sollte viel besser gehen! Es ist leichter, und vor allem lauter, schneller und gleichmäßiger.
Um die Erkenntnis aus diesem Experiment auf die Gitarre zu übertragen, musst du nur das Gegenteil machen, von dem, was meistens empfohlen wird… Du versuchst nicht möglichst nahe am Griffbrett zu bleiben, sondern lässt die Finger so weit vom Griffbrett springen, wie sie möchten! Was du nicht tun solltest, ist die Finger aktiv vom Griffbrett weg zu bewegen.
Probiere diese Technik doch einmal mit der A-Dur-Tonleiter in Beispiel 2. Spiel die Tonleiter rauf und runter und lass die Finger tanzen! Lass ruhig die rechte Hand erstmal weg, wenn du Schwierigkeiten hast beide Hände zu synchronisieren
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Beispiel 2: A-Dur Tonleiter
Mach dir keine Gedanken, falls du nicht direkt so schnell spielen konntest, wie du es dir erhofft hast! Denk‘ daran: Geschwindigkeit ist nur ein Nebenprodukt! Es geht darum die Finger während des Spielens geschmeidig zu halten!
Die rechte Hand:
Wenn du mit dem Plektrum eine Saite anschlägst, kommt es schnell zu einem „Kampf“ zwischen dir und der Saite. Das sorgt für einen eher unattraktiven Sound und Timing-probleme. Statt die Saite mit der ganzen Fläche des Plektrums anzuschlagen, probiere die Spannung der Saite zu nutzen und mehr mit der Kante des Plektrums an der Saite „entlang zu rutschen“, so wie du es in Beispiel 3 sehen kannst. Aber bitte nicht übertreiben! Spielst du zu viel mit der Kante, wird auch das zu Sound-Problemen führen!
Beispiel 3:
Die rechte Hand und die linke Hand:
Wenn du diese (oder jede andere) Übung mit beiden Händen machen möchtest, musst du natürlich das Tempo anpassen; häufig ist eine Hand schneller als die andere. Wenn du ein Tempo gefunden hast, ist es wichtig, dass beide Hände synchron arbeiten.
Das erreichst du, indem das Anschlagen der rechten und das Drücken der Saite mit der linken Hand gleichzeitig passiert. Schlag die jeweilige Saite im Wechselschlag an und nutze für die linke Hand wieder die Tonleiter in Beispiel 2. Spiele die Töne nur kurz an und nimm direkt wieder Spannung aus dem Finger der linken Hand.
Durch dieses Staccato-Spiel ist es einfacher zu hören, ob beide Hände wirklich synchron arbeiten. Halte nach jedem Ton kurz inne und reflektiere, ob alles so geklungen hat, wie es sein soll.Nutze ein Metronom bei der Übung! Du musst nicht auf jedem Klick einen Ton spielen – tatsächlich solltest du das nicht tun -, sondern nur den Klick als Orientierung nutzen. Wenn du nicht den erwünschten Effekt erreichst, frag dich, was du ändern musst und achte auf die Schwierigkeiten, die du entdeckst! Manchmal lässt der „Kampf“ zwischen Saite und rechter Hand den Anschlag verzögern, manchmal wollen wir mit der linken Hand schneller spielen, als es uns technisch möglich ist. Was immer es ist, probiere die Übung und dein Spiel anzupassen; oft ist schon die Aufmerksamkeit, die wir dem Problem schenken die Lösung.
Unabhängigkeit der Finger:
Zu guter Letzt möchte ich dir noch eine Übung auf den Weg geben, die die Unabhängigkeit der Finger verbessern soll. Die Grundidee ist folgende: du legst deine Finger in den 5., 6., 7. und 8. Bund der g-Saite. Dort sollen sie nur ruhen, das bedeutet, sie sollen die Saite zwar berühren, aber nur minimal herunterdrücken. Jetzt spielst du mit dem Zeigefinger den Ton d auf der a-Saite und danach den Ton e auf der b-Saite (dt.: h-Saite) ohne die anderen Finger zu bewegen. Das Gleiche machst du nun mit dem Mittel-, Ring- und dem kleinen Finger. Ich wiederhole die Bewegungen mit jedem Finger einige Male, vor allem mit dem kleinem Finger. In Beispiel 4 habe ich diese Übung einmal mit dem Zeigefinger dargestellt.
Beispiel 4:
Wenn das gut funktioniert kannst du einige Variationen dieser Übung probieren. Du könntest beispielsweise anstatt der b- und a-Saite, die beiden e-Saiten nutzen. Oder beides abwechselnd. Du könntest erst auf die a-Saite mit dem Zeigefinger, dann mit dem Mittelfinger auf den Ton d# auf der a-Saite. Danach dann wieder mit dem Zeigefinger auf die b-Saite und zum Abschluss mit dem Mittelfinger auf die b-Saite. Die Töne bleiben bei dieser Variante so lange wie möglich liegen. Die Finger, die nicht spielen müssen ruhen weiter auf der g-Saite. Diese Übung kannst du mit allen Finger-Kombinationen und natürlich mit beiden Saitenpaar-Varianten – also a- und b-Saite und beiden e-Saiten – durchspielen.
Coda:
Es gibt natürlich viele Wege sich Aufzuwärmen und noch mehr Technikübungen zu allen möglichen Themen. Dies kann nur ein kleiner Gedankenanstoß sein sich mit diesen Aspekten zumindest ein wenig auseinander zu setzen. Es soll schließlich Spaß machen Gitarre zu spielen und nicht schmerzhaft werden! Wofür der Rahmen an dieser Stelle nicht ausreicht, ist, in wie weit der Kopf „aufgewärmt“ wird oder werden muss. Davon gegebenenfalls ein anderes Mal mehr.